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Wie bekommt man 2030 einen Ferienjob?

Jennifer Sommer ist Studentin des MBA Digital Transformation Management und PR-Managerin bei Bechtle. Im Rahmen eines deutschen Essay-Wettbewerbs zum Thema „Daten im Jahr 2030: Ein Blick in die Zukunft“ geht sie in ihrem Aufsatz der Frage nach, wie Ferienjobs künftig vergeben werden könnten. Dabei setzt sich Jennifer kritisch mit der Verlässlichkeit von Daten und deren Aussagekraft im Zusammenhang mit online Karrierenetzwerken auseinander. Der Beitrag wurde von der Jury unter die TOP 10 gewählt und veröffentlicht.

Staubig. So habe ich meinen ersten Job in Erinnerung. Eine Erinnerung an eine Fabrikhalle und einen heißen Sommer. Einen Monat lang stand ich an einem Fließband, um mir mein erstes, eigenes Geld zu verdienen. Der Staub war kein gewöhnlicher Staub, sondern bestand aus feinsten Zucker- und Waffelbrösel, die unaufhörlich in der Luft zu tanzen schienen. An Tagen, an denen es besonders heiß war, verklebten sie meine Haare und legten einen feinen Zuckerfilm auf meine Lippen. Auch Monate nach meinen Sommerjob hatte ich keinen Appetit auf Süßes. Der erste Job, eine staubig-süße Erinnerung. Das erste Geld, schnell ausgegeben. Wofür, weiß ich nicht mehr. Aber bei jeden Gedanken an eine Fabrikhalle, kommt der Geschmack der Sommerferien und der Stolz über den ersten Job zurück.

Meinen ersten Sommerjob hatte ich über ein besonderes soziales Netzwerk ergattert, es hieß „elterliche Kontakte“. Der große Vorteil: man erfuhr nicht nur von solchen Jobs, sondern wurde durch die Vermittlung auch als fleißig oder zuverlässig oder beides „beleumundet“. Schließlich konnten sich in der Regel alle Beteiligten inkl. dem künftigen Arbeitgeber darauf verlassen, dass die jungen Ferienjobber:innen ihren Eltern keine Schande bereiten und die ihnen übertragenden Aufgaben gewissenhaft erledigen würden. Wie aber werden die heutigen Kindergarten- und Schulkinder im Jahr 2030 an einen Ferienjob gelangen und gibt es diese dann noch? Bereits vor der COVID-19-Pandemie wurden die Möglichkeiten für junge Menschen, in den Sommerferien erste berufliche Erfahrungen sammeln zu können, von Jahr zu Jahr weniger. Die Spätfolgen der Pandemie, die vor allem auf dem Arbeitsmarkt zu spüren sein werden, verringern ihre Chancen noch zusätzlich. Zwar wird die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren on top of the Agenda stehen, für Ferienjobs, die traditionell eher im niedrigqualifizierten Bereich zu finden sind, sieht es aber auch angesichts steigender Automatisierung nicht rosig aus. Wie können junge Menschen im Jahr 2030 einen der wenigen verbliebenden Ferienjobs ergattern? Zur Beantwortung dieser Frage, wird eine Lösung unterstellt, die aktuelle Entwicklungen weiterdenkt und deren Ausgangspunkt in den bereits heute zur zweiten Lebensrealität junger Menschen avancierten, social networks zu finden ist.

Durch die Vielzahl existierender, teilweise synonym verwendeter Begrifflichkeiten, sucht man eine allgemein gültige Begriffsdefinition „digitaler sozialer Netzwerke“ vergebens. Eine weitgehend verbreitete Definition sieht in ihnen eine besondere Form der Gemeinschaft, bei der die Kommunikation der Akteur:innen durch eine Internetplattform unterstützt und auch ohne unmittelbare physische Präsenz der einzelnen Akteur:innen ein Gemeinschaftsgefühl erreicht wird. Den Beteiligten reicht die Verbindung durch ein gemeinsames Interesse (Heidemann, 2009). In den vergangenen Jahren gehörten social networks zu den am schnellsten wachsenden Kommunikationsplattformen mit partizipativen Angeboten für ihre Nutzerinnen und Nutzer im Internet. Auch wenn sich einzelne Formate in Funktion, Struktur und Zielsetzung stark unterscheiden, werden sie häufig unter dem Sammelbegriff „Social Media“ zusammengefasst und haben durch ihre partizipativen Charakter bestehende Kommunikationsstrukturen grundlegend transformiert. Die Folge: eine Aufweichung der bis dato klar getrennten persönlichen und medienvermittelten Kommunikation.

Persönliche Daten als „Teilnahmegebühr“

Für die Nutzung der meisten sozialen Netzwerke wird in der Regel kein Entgelt verlangt. Die Nutzer:innen zahlen dennoch einen Preis. Sie zahlen mit ihren Daten. Darunter fallen nicht nur jene Daten, die für den Zugang zum Netzwerk – etwa die Emailadresse – benötigt werden, sondern insbesondere jene von Menschen generierte Daten, die erst durch das Verhalten der Nutzer:innen innerhalb dieser Netzwerke entstehen. Diese Daten resultieren aus jeder nur denkbaren Aktivität, wie der Veröffentlichung eines Postings, der Betätigung des Like-Buttons bis hin zur Tageszeit, in der man aktiv ist. Wann immer von Big Data gesprochen wird, sind damit diese oder vergleichbare Daten(-mengen) gemeint. Die Auswertung dieser Daten(-mengen) war bisher nur teilweise möglich. Dank der rasanten Entwicklung in Bereichen wie Cloud-Computing und maschinellem Lernen, konnten in den letzten Jahren große Fortschritte in der Speicherung und Analyse dieser Daten(-mengen) erzielt werden. Hierzu zählen insbesondere selbstlernende Algorithmen, die immer präzisere (Vor-)Aussagen über das menschliche Verhalten liefern. Den praktischen Nutzen, der weit über die Optimierung der eignen Marketing-Aktivitäten hinausgeht, haben Unternehmen bereits erkannt. Auch im Rahmen der Personalbeschaffung spielen Netzwerke eine große Rolle: sowohl in der realen Welt, als auch in Form professioneller Netzwerke und Karriereplattformen im Internet.

Verlässlichkeit von Daten

Um einen Sommerjob zu ergattern, waren in der Vergangenheit vor allem die Noten im Zeugnis ausschlaggebend. Ein Bewertungsinstrument, dass die Leistung von Schüler:innen messen soll und den Anschein der Objektivität vermittelt. Verlässliche Aussagen könnten, so die Ergebnisse einer Schweizer Studie, aber anhand von Noten nicht getroffen werden, da die Zusammensetzung der Endnote durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst wird, die Großteils außerhalb der Kontrolle des Schülers oder der Schülerin liegen, wie beispielweise deren Herkunft. Die individuelle Leistung macht der Studie zufolge nur etwa knapp die Hälfte der Endnote aus (Baeriswyl, 2012).

Noten geben also nur ein verzerrtes Abbild der Wirklichkeit wieder, sind stark von der individuellen Beurteilung des Lehrenden und weiterer Faktoren abhängig. Von einer sehr ähnlichen Problemstellung stehen die Entwickler:innen auch im Bereich des maschinellen Lernens. Bereits 1948 argumentierte Alan Turing in seinem Aufsatz „Intelligent Machinery“ erste Perspektiven maschineller Lernfähigkeiten und damit Künstlicher Intelligenz (KI). Mit dem „Turing-Test“ stellte er wenig später sein Modell der lernenden Maschine, die als „Child-Machine“ von einen Lehrenden trainiert wird und einen Entwicklungsprozess, der dem des heranwachesenden Menschen gleicht, durchläuft, vor und machte auf einen weiteren, nicht unbedeutenden Umstand aufmerksam: „An important feature of a learning machine is that its teacher will often be very largely ignorant of quite what is going on inside, although he may still be able to some extent to predict his pupil’s behaviour. This should apply most strongly to the later education of a machine arising from a child-machine of well-tried design (or programme). This is in clear contrast with normal procedure when using a machine to do computations: one’s object is then to have a clear mental picture of the state of the machine at each moment in the computation.” (Turing, 1950)

Die Einschätzung Turings macht deutlich, was leider oft vergessen wird: diese vermeintlich wertneutralen Systeme und Berechnungsmodelle wurden von Menschen entwickelt. Zudem verarbeiten sie Daten – wie etwa Schulnoten – die wiederrum ebenfalls nicht wertfrei sind. Kein Wunder also, dass die Ergebnisse mitunter auch vorhandene gesellschaftliche Ungleichheiten, stereotype Vorstellungen etc. wieder spiegeln. Bekannte Forschungsergebnisse belegen, dass bestimmte KI-Algorithmen aufgrund des Geschlechts oder der Rasse diskriminieren – etwa in der Vorhersage von Rückfälligkeitswahrscheinlichkeiten bei Straftätern oder Gesichtserkennungsprogrammen.

Gesamtbild einer Person

Karrierenetzwerke verwenden bereits heute Algorithmen, um den Bewerbungsprozess zu optimieren. Die zur Verfügung stehenden Informationen werden beispielsweise mit Jobprofilen abgeglichen, um Übereinstimmungen und am Ende die/den geeignete:n Bewerber:in zu finden. Als umfangreiche Datenquelle beinhaltet der Lebenslauf neben individuellen Daten, alle relevanten Informationen zur Aus- und Weiterbildung, beruflichen Erfahrung sowie Angaben zu weiteren Fähig- und Fertigkeiten eines Menschen. Daten, die vor dem Aufkommen virtueller Netzwerken in der Regel nur einem überschaubaren Kreis an Kontakten, darunter ehemalige und aktuelle Arbeitgeber:innen, zur Verfügung standen. Heute erlauben Karrierenetzwerke nicht nur „ein umfassenderes Bild von Kandidat:innen zu erhalten, als dies über klassische Bewerbungsunterlagen möglich ist“, sondern helfen „für wichtige Funktionen eine langfristige Kandidat:innenbindung aufzubauen.“ Ein Unternehmen kann beispielsweise mit einer/einem ehemaligen Praktikant:in auf LinkedIn in Verbindung bleiben und „seine Entwicklung verfolgen, um ihn gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal anzusprechen. Seine Bewerbungsmappe im Archiv ist dann längst wertlos.“ (Dannhäuser, 2015). Für Menschen, die sich in zehn Jahren ihren ersten Sommerjob sichern möchten, sind diese Karrierenetzwerke ebenfalls entscheidend. Ihre mangelnde berufliche Erfahrung, kann eventuell durch ihrer persönlichen Daten kompensiert werden.

2030 entscheidet der Qualitätsfaktor

Beleumundeten früher die eigenen Eltern die Eignung der Kandidat:innen für einen Sommerjob, können Arbeitgeber:innen im Jahr 2030 auf den sogenannten „Qualitätsfaktor“ bei der Bewertung der Bewerber:innen zurückgreifen. Diesem Bewertungsmodell liegen Daten aus unterschiedlichen Quelle vor. Neben bereits bekannten Daten, die in sozialen und professionellen Netzwerken oder auf Karriereplattformen schon heute geteilt werden, berücksichtigt der „Qualitätsfaktor“ auch Daten aus speziellen Anwendungen und Programmen. Daten die bisher eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben, aber in Zukunft einen nicht unbedeutenden Einfluss auf dieses persönliche Ranking einnehmen werden. Wagen wir ein Praxisbeispiel: Angenommen zwei Schüler:innen ein und dergleichen Schule bewerben sich mit identen Zeugnissen um einen Sommerjob. Welche/n Bewerber:in soll man nun nehmen. Die vorliegenden Unterlagen führen zu einem Gleichstand in der Frage, wer die/der geeignetste Kandidat:in ist. Personalverantwortliche greifen daher gerne auf die sozialen Netzwerke zurück und screenen diese während des Bewerbungsprozesses, um sich anhand der zumeist öffentlich verfügbaren Profile der Bewerber:innen ein umfassenderes Bild zu machen. Kein Wunder, dass Facebook-Gründer, Mark Zuckerberg, bereits 2010 von einer grundlegenden Veränderung im Umgang der Menschen mit ihren Daten sprach: „Das Teilen und veröffentlichen auch von privaten Informationen in Weblogs und sozialen Netzwerken sei für Menschen normal geworden. Die sozialen Normen hätten sich weiterentwickelt und Facebook passe seine Regeln nun diesen veränderten Normen an.“ (Winterbauer, 2010). Bei seiner Aussage verschweigt Zuckerberg eine nicht unbedeutende Tatsache: die digitaler Technologie innenwohnende Eigenschaft, Daten zu erzeugen. Diese Beschaffenheit wirft weitreichende gesellschaftliche, soziale, politische und ethische Fragestellungen auf. Denn bereits jetzt stünden laut dem Wissenschaftsjournalisten Thomas Ramge Unmengen solcher Daten zur Verfügung. Allerdings konzentriert auf einige wenige Konzerne, denen dadurch ein bedenklicher Vorteil gegenüber anderen zukommt. Denn ähnlich wie der Skaleneffekt und später der Netzwerkeffekt, sorge dieser Feedbackeffekt für eine Marktkonzentration.

Im Falle der beiden Schüler:innen könnte sich der/die Arbeitgeber:in für eine detaillierte Auswertung ihrer vorhandenen oder nicht vorhandenen IT-Anwenderkenntnisse interessieren. Eine glaubhafte Quelle für einen solchen Nachweis liefern die Aktivitätsdaten. Also jene Daten, die auf den Endgeräten gesammelt werden und sekundengenaue Auskunft darüber geben können, wie intensiv ein User bestimmte Anwendungen und Programm verwendet. Durch die Cloud-Technologie werden diese Daten, einmal angemeldet, über alle Geräte hinweg gesammelt und so ein personalisiertes Aktivitätsprofil erstellt. Werden diese Daten nunmehr mit weiteren Daten aus sozialen Netzwerken verbunden, berechnet und entsprechend gewichtet, ergibt sich ein umfassendes Bild der Bewerber:innen. Dieser neue „Key Performance Indicator“ ist zudem schnell erfassbar, einfach vergleichbar und aussagekräftig. Den bereits bestehenden Möglichkeiten der One-Click-Bewerbung, worunter die Verknüpfung des eigenen Social-Media-Profils mit einer passenden oder interessanten Stellenausschreibung verstanden wird, die den Bewerbungsprozess weitgehend automatisiert, wird durch den Qualitätsfaktor noch zusätzlich beschleunigt. Die Angabe des Qualitätsfaktors wird im Jahr 2030 nur freiwillig möglich sein, da die Novellierung der Datenschutzgrund-Verordnung anlässlich ihres zehnten Geburtstages im Jahr 2028 noch restriktiveren Bestimmungen eingeführt hat. Eine eher zahnlose Schutzfunktion, wie die künftigen Sommerjobber:innen bereits in ihrer Schulzeit etwa in der Frage einer Beteiligung an bestimmten Netzwerken, um den Anschluss zur Klasse nicht zu verlieren, erfahren mussten – Cyber-Mobbing inklusive. 2030 ist für den Fall der Fälle jedenfalls durch entsprechende Eingabefelder vorgesorgt – nicht nur im virtuellen Karrierenetzwerk, sondern auch auf unternehmenseigenen Karriereseiten. So werden künftige Bewerber:innen ihre Chancen durch eine Nicht-Angabe nicht freiwillig schmälern wollen, wodurch der Qualitätsfaktor zu einem festen Bestandteil der Bewerbungsunterlagen und der persönlichen Profile in den Karrierenetzwerken wird. Vielleicht werden die heute 5- und 8-jährigen ihre ersten Berufserfahrungen nicht mehr an Fließbändern machen, weil die Produktion gänzlich automatisiert wurde. Es könnte aber auch ganz anders kommen. Der erste Job wird aber mit Sicherheit eines sein: Eine Erfahrung und später eine Erinnerung, die selbst die intelligenteste Maschine niemals nachempfinden kann.

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