Vom Konzept zur Idee, von der Idee zum wissenschaftlichen Ansatz
Teil 1 von 2: Beitrag von Dr. Frank Benda über das Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten und wie in diesen ein maximaler nachhaltiger Praxistransfer gelingen kann.
Die zentrale Frage der Forschung: Welche Problemstellung soll bearbeitet werden?
Wann auch immer man wissenschaftlich tätig ist, wird man mit der wohl entscheidenden Frage konfrontiert: An welcher Problemstellung soll eigentlich geforscht werden? Welche Thematik bietet genügend Potenzial, sich dieser wissenschaftlich zu widmen? Wo ist die wissenschaftliche Lücke?
Praxisbeispiel: Eine Produktionsanlage aus LEGO
Wenn ein Industriepartner eine beispielhafte Produktionsanlage für typische Fertigungsprozesse zur Herstellung von Möbeln oder Fenstern aus LEGO nachbaut und nach wissenschaftlichen Ansätzen zur Lösung der Planungsprobleme sucht, ergibt sich die Antwort auf die Fragen quasi von alleine. Solche konkreten Problemstellungen bieten immer eine perfekte Ausgangsposition für die Erarbeitung wissenschaftlicher Konzepte zur Lösung dieser Probleme. Sowohl für das Unternehmen als auch für die forschende Institution ergibt sich hieraus eine Win-Win-Situation.
Unterschiedliche Welten: Wirtschaft und Wissenschaft
Und dennoch gelingt gerade in diesem Spannungsfeld die perfekte Nutzung von Synergieeffekten, wenn sich beide Partner auf verschiedenen Ebenen annähern. So obliegt es etwa, vereinfacht formuliert, dem Praxispartner den nötigen Freiraum und zeitlichen Horizont zur kreativen Konzeptionierung zur Verfügung zu stellen und andererseits der Wissenschaft sich einen gewissen Grad an projektbasierter Arbeit anzueignen. Stellvertretend steht dieses Beispiel für eine Reihe von entscheidenden Erfolgsfaktoren, die bedingen, ob eine solche Kooperation letztendlich von Erfolg gekrönt sein mag
oder nicht.
Erfolgsfaktoren für Kooperationen
Obwohl dies zunächst unvereinbar erscheint, gelingt in diesem Spannungsfeld oft die perfekte Nutzung von Synergieeffekten. Beide Partner müssen sich aufeinander zubewegen: Der Praxispartner bietet den nötigen Freiraum und die Wissenschaft integriert ein gewisses Maß an projektbasiertem Arbeiten. Dies sind entscheidende Faktoren für den Erfolg einer solchen Kooperation.
Zielkonflikte: Wissenschaftliche Tiefe vs. Praxisanforderungen
Das Geschäftsmodell eines Unternehmens unterscheidet sich grundlegend vom “Geschäftsmodell” einer Universität. Universitäre Forschungsarbeiten greifen Problemstellungen oft in detaillierten, anspruchsvollen Lösungskonzepten auf, die über die Anforderungen der Praxis hinausgehen. Ein klassischer Zielkonflikt entsteht, wenn Unternehmen schnelle, praktikable Lösungen bevorzugen, während die Wissenschaft komplexere Ansätze verfolgt, um hochrangige Publikationen zu generieren.
Ein konkretes Beispiel: Ablaufplanung und Planungsdauer
Exakt hier ergibt sich der Zielkonflikt zwischen komplexer Themenbehandlung zur Einreichung in ein gutes Journal und der „Über-Komplexität“ für das Unternehmen. Die Frage ist, ob eine einfache, schnell implementierbare Prioritätsregel für die Planung ausreichend ist oder ob eine komplexere Regel notwendig ist, die länger dauert, dafür aber (eventuell) bessere Ergebnisse liefert.vereinfacht zuspitzen möchte.
Anwendung der Theorie: Die Pilotfabrik
Exemplarisch sei dies am Szenario einer nachgebauten Pilotfabrik demonstriert. Es handelt sich um ein Cyber-physisches System, in dem Produkte mit einem Transportkran auf Maschinen verteilt werden, um Staus zu vermeiden und die Bearbeitung zu beschleunigen. Jede Sekunde zählt, und der menschliche Ablaufplaner steht im direkten Vergleich mit der automatisierten Planung des Industriepartners.
Praxisnähe in der wissenschaftlichen Arbeit
Aus Sicht eines Praedocs oder Postdocs stellt sich die Frage, ob die vorliegende Problemstellung wissenschaftlich komplex genug ist, um in eine Publikation zu münden. Oft reichen einfache Prioritätsregeln nicht aus, um eine prominente Publikation zu erreichen. Gleichzeitig muss geklärt werden, ob die Problemstellung auf Dissertationsebene behandelt werden sollte oder ob sie sich für eine Bachelor- oder Masterarbeit eignet.
Der Studierende als dritter Stakeholder
An diesem Punkt kommt der Studierende als dritter Stakeholder ins Spiel. Reale Praxisprobleme können auch im Rahmen von Bachelor- oder Masterarbeiten sinnvoll bearbeitet werden, was ebenfalls zu einer Win-Win-Situation führt. In Unternehmen gibt es zahlreiche Problemstellungen, die darauf warten, in wissenschaftlichen Arbeiten aufgegriffen zu werden.